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Mehr Nachteile als Vorteile für Familien
 
Positive Ansätze, aber kein Schwerpunkt

"Den Familien ist bewusst ein Schwerpunkt unserer politischen Arbeit gewidmet. (...) Österreich soll im Jahr 2010 das familien- und kinderfreundlichste Land der Welt sein, in dem es Anerkennung und Unterstützung für die Leistungen in der Betreuung junger und alter Familienmitglieder gibt", sagte Bundeskanzler Wolfgang Schüssel in seiner Regierungserklärung vergangen Donnerstag.

"Ich habe das Programm genau studiert. Mit dem Recht auf Teilzeit für Eltern von Kindern bis zum 6. Lebensjahr, der Einführung eines Mindestlohnes von 1.000 Euro, der Erhöhung der Steuerfreigrenze, der Ausdehnung der pensionsbegründenden Kindererziehungszeiten von eineinhalb auf zwei Jahre oder dem Bekenntnis zum arbeitsfreien Sonntag gibt es positive Ansätze. Aber den familienpolitischen Schwerpunkt sehe ich nicht und der große familienpolitischer Wurf ist mit dem Programm ganz sicher auch nicht gelungen.", sagt Johannes Fenz Präsident des Katholischen Familienverbandes.

Daneben gibt es Maßnahmen, die enttäuschen: die Benachteiligung der Personen im Alter, die Betreuungs- und Pflegeleistungen erbringen, die Reduktion der Flaf-Beiträge, die Diskussion um die Selbstbehalte im Gesundheitsbereich oder die Diskussion um die Stundenkürzung.

Was im Regierungsprogramm fehlt:

1. Reform des Familienlastenausgleichsfonds

Durch die sogenannte "Selbstträgerschaft" zahlen Bund, Länder und Gemeinden mit über 2000 Einwohnern für ihre Bediensteten keine Beiträge in den FLAF. Als Ausgleich dafür wurde das frühere Karenzgeld für die Bundes-, Landes- und Gemeindebediensteten nicht aus dem FLAF bezahlt, sondern Bund, Ländern und Gemeinden kamen selbst dafür auf. Nachdem das Kinderbetreuungsgeld nun aber für alle aus dem FLAF bezahlt wird, hat die Selbstträgerschaft keine Berechtigung mehr. Hier besteht dringend Reformbedarf. Zudem ist eine jährliche Valorisierung der Familienleistungen der Familienleistungen notwendig.

2. Weitgehende Reformen zum Kinderbetreuungsgeld

Die Zuverdienstgrenze stiftet nur Verwirrung und Unsicherheit. Die Leute wissen nicht, ob sie das Kinderbetreuungsgeld nicht vielleicht wieder zurückzahlen müssen; der organisatorische Aufwand ist enorm, sie ist für den Mittelstand und Akademikerinnen zu niedrig und Selbständige haben einen Gestaltungsspielraum; sie können sich's richten. Die Zuverdienstgrenze gehört ersatzlos gestrichen.

3. Die Steuerfreistellung des Existenzminimums pro Familienmitglied

Dass die Steuerfreigrenze auf 14.500 Euro/Jahr angehoben werden soll, ist erfreulich. Die Entlastung kann sich aber nicht nur auf die Erwerbstätigen beziehen. Was fehlt, ist die Steuerfreistellung des Existenzminimums pro Familienmitglied. Es muss berücksichtigt werden, wie viel Personen von einem Einkommen leben müssen. Erst dann kann die Besteuerung des Einkommens beginnen.

4. Neustruktur des Pflegegeldes

Beim Pflegegeld besteht - zusätzlich zur Valorisierung - Reformbedarf. Es muss gewährleistet werden, dass das Pflegegeld widmungsgemäß verwendet und die pflegende Person damit bezahlt wird. Nur so ist es möglich, Pflegepersonen langfristig auch sozialrechtlich abzusichern. Schließlich werde 80 Prozent der Pflegebedürftigen von Familienmitgliedern gepflegt

5. Ein vernünftiges und sozial ausgewogenes Konzept für die eigenständige Pensionsabsicherung der Frauen

Es fehlt ein Konzept, das berücksichtigt, dass Frauen
• aufgrund der Kindererziehung und Pflege von Angehörigen Versicherungslücken haben
• aufgrund der Kindererziehung und Pflege von Angehörigen "nur" teilzeitbeschäftigt sind und Männer für gleiche Arbeit nicht gleich bezahlt werden.

Die Enttäuschungen im Regierungsprogramm

1. Anhebung des Durchrechnungszeitraumes für die Pensionsbemessungsgrundlage

Dass die Generationenfrage angegangen wird, ist grundsätzlich positiv. Es ist aber - vor allem für Frauen - beschämend, auf der einen Seite den Durchrechnungszeitraum um das zweieinhalbfache anzuheben; im Gegenzug dazu die pensionsbegründenden Kindererziehungszeiten aber nur um ein Drittel - von 18 auf 24 Monate - auszuweiten. Diese Maßnahme ist gedankenlos, unlogisch, kurzsichtig und frauenfeindlich. Nach Zahlen aus dem aktuellen Sozialbericht sind 33 von hundert Frauen teilzeitbeschäftigt; bei den Männern sind es vier von Hundert.

Schon jetzt ist die durchschnittliche Frauenpension mit 678 Euro um die Hälfte niedriger als die der Männer. Mit der Verlängerung des Durchrechnungszeitraumes geht die Schere noch weiter auf. Sozialexperten rechnen damit, dass es bei den Frauen zu Einkommenseinbußen von bis zu 30 Prozent kommen kann.
Es ist daher unbedingt notwendig, die Auswirkungen der geplanten Pensionsreform auf Frauen mit vernünftigen und sozialverträglichen Maßnahmen abzufedern und Versicherungslücken zu schließen. Wenn Wirtschaftsminister Martin Bartenstein in der Presse vom 6. März damit zitiert wird, dass die ÖVP nicht auf Abfederungsmaßnahmen bestehen wird, ist das zynisch.

Notwendige Abfederungsmaßnahmen sind:
• Die pensionsbegründende Anrechnung der Kindererziehungszeiten verlängern und auf Pflegezeiten über die Hospizkarenz hinaus ausdehnen
• Die Anzahl der Ersatzzeiten erhöhen; derzeit werden pro Kind 30 Monate als Ersatzzeit angerechnet.
• Die Bemessungsgrundlage erhöhen; derzeit gilt für die Kindererziehungszeiten der Ausgleichszulagenrichtsatz als Bemessungsgrundlage

2. Kürzung der FLAF-Beiträge

Für ältere Arbeitnehmer sollen die FLAF-Beiträge entfallen. Nach unseren Berechnungen heißt das etwa 200 Millionen Euro weniger Einnahmen für den Familienlastenausgleichsfonds. Damit kann für 127.000 Kinder ein Jahr lang Familienbeihilfe bezahlt werden. Bei Ge-samteinnahmen von 4,6 Milliarden Euro bedeutet diese Kürzung der FLAF-Beiträge einen Einnahmensverlust von 4,3 Prozent.
Der Ansatz, ältere Arbeitnehmer/innen auf Kosten der Familien und Kinder zu entlasten, ist gefährlich. Das führt zu einer Endsolidarisierung zwischen den Generationen. Es ist nicht Aufgabe des Familienlastenausgleichsfonds, Wirtschafts- und arbeitsmarktpolitische Maßnahmen zu fördern.

3. Selbstbehalte im Gesundheitssystem treffen Familien härter

Ich nehme zur Kenntnis, dass die Abschaffung der Krankenschein- und Ambulanzgebühr überlegt wird. Wenn das auf der anderen Seite aber heißt, dass Selbstbehalte für den Arztbesuch eingeführt werden sollen, lehne ich das entschieden ab. Selbstbehalte in jeder Form - und davon gibt es mit der Rezeptgebühr, den Tagsätzen bei Spitalsaufenthalten, den Kosten für Brillen oder Zahnregulieren schon genug - treffen Familien ungleich härter als Singlehaushalte. Die kostenlose Gesundheitsversorgung für Familienmitglieder ist eine klassische familienpolitische Leistung. Sie steht für den Familienverband solange nicht zur Disposition, solange die Leistungen der einzelnen Krankenkassen nicht vereinheitlicht sind und es keine grundsätzliche Reform im Gesundheitssystem gibt.

Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten

Dass die Sonntagsruhe nicht angetastet werden soll, ist positiv. Weniger erfreulich ist die Tatsache, dass das Arbeitsrecht flexibilisiert - Handelsangestellte sollen jeden Samstag arbeiten dürfen - und die Ladenöffnungszeiten liberalisiert werden sollen.
Zehn Prozent der beschäftigten Frauen sind im Einzelhandel tätig; jede vierte davon ist teilzeitbeschäftigt. Mit der Liberalisierung der Öffnungszeiten wird die Anzahl der teilzeitbeschäftigten weiter steigen, die Auswirkungen auf Frauen mit Betreuungspflichten und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind gravierend.

Quelle: Katholischer Familienverband (Der Katholische Familienverband Österreichs )
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Autor: Harald Kviecien; Copyright: One Health Forum; Publiziert von: Harald Kviecien (kviecien)
factID: 118477.1; Publiziert am 12 Mär. 2003 19:28